Ich sitze hier auf den
Stufen vor dem Haus. Neben mir die kleine Hauskapelle, in der die 10 Schwestern
gerade Abendgebet halten, vor mir der Sportplatz, wo die 13, von Glauben
sprühenden, Aspirantinnen sporteln und hinter mir die Küche, in der unsere zauberhafte
Köchin, Talili, während dem Kochen, den Rosenkranz im Radio anhört.
Wenn ich in der Früh
auchwache höre ich die 800 Schüler des Gymnasiums Laura Vicuna, das
"Gegrüßet seist du Maria" beten. Wenn ich am Weg zur Arbeit bin, düse
ich an der "Imprimerie Dieu existe" (Druckerei Gott existiert), an
Autos mit der Aufschrift "Dieu est grand" (Gott ist groß) und an Leuten von deren
Kleidungsstücken die Heilige Maria runterlacht, vorbei.
Glaube/Gott ist hier
überall und dauernd um mich herum. Ich glaub das wird mir aber erst so richtig
bewusst werden, wenn ich wieder zu Hause bin!
Kirche Notre Dame in der Hauptstadt Porto Novo |
Ungefähr 40 Prozent der
Beniner sind Christen. Somit ist das Christentum offiziel die größte Religion
in Bénin. Doch eigentlich ist Bénin das Herkunftsland der Naturreligion
Vodoun. Was Vodoun so genau ist (es hat nämlich sehr wenig mit den Voodoo
Puppen, die wir kennen zu tun), weiß ich noch immer nicht. Angeblich gibt es
viele Leute, die Christen sind aber auch Vodoun praktizieren. Sozusagen in der
Früh in die Messe und am Abend zum Vodoun-Priester gehen. Bis jetzt hat mir
aber noch keine einzige Person gesagt, dass sie an Vodoun glaubt. Und
eigentlich spricht man hier sehr offen über seine Religion. Andauernd fallen
Sätze wie „Gott beschütze dich“ und wenn man die Bekanntschaft mit jemanden
macht ist eine der ersten Fragen die nach der Religion. Abgesehen vom
Christentum und Vodoun spielt der Islam, mit ungefähr 30 Prozent, auf jeden
Fall auch eine große Rolle. Vor allem bei meiner Reise in den Norden, konnte
ich feststellen, dass um so weiter man in den Norden fährt, die Kirchen von
Moscheen ersetzt werden.
Unter das Christentum
fällt in Bénin auch die „Eglise de Celeste“. Keine Ahnung ob es diese
Glaubensrichtung auch bei uns gibt. Die Anhänger dieser Kirche tragen zum
Gottesdienst weiße lange Gewänder und die Frauen müssen ihren Kopf mit einer
weißen Haube bedecken. Außerdem muss man
die Schuhe ausziehen bevor man die Kirche betritt. Es kann also schon mal
passieren, dass man einen Mann in einem langen weißem Kleid, barfuß mit dem
Moped durch die Stadt düsen sieht.
Vor zwei Wochen hatte ich
auch die Möglichkeit mit einem Arbeitskollegen in eine evangelische Kirche zu
gehen. Wobei ich mir jetzt nicht mehr sicher bin was das genau war. Es war auf
jeden Fall nicht das, was bei uns evangelisch bedeutet. Die Messe dauerte 3
Stunden und war geprägt von ganz viel Musik. Jeder hatte seine Bibel dabei und
es gab keine gemeinsamen Gebete sondern jeder betete individuell aber laut.
Nach dem Motto um so lauter desto besser, schrie mancheiner schon richtig
während seinem Gebet. Auch bei der Musik wurde nicht an Boxen gespart und am
Ende wurde noch ausgiebig getanzt. Zuerst bildeten die Kinder eine Schlange und
tanzten durch die Kirche, dann die Frauen und zum Schluss die Männer.
Als wir die Hauptstadt
Porto Novo, eine wirklich schöne Stadt!, besuchten, wollten wir auch die alte Moschee sehen. Ein paar Kinder luden uns ein mit hinein zu gehen, da es
gerade Zeit zum Gebet war. Wir bunden uns also unsere Halstücher als Kopftücher
um und durften in den Vorhof eintreten. Leider durften wir nicht wirklich in
die Moschee hinein, da hier das Gebet nur freitags stattfindet. Bzw. wir hätten
schon hinein gehen können aber nur gegen Bezahlung, denn wir sind ja Touristen.
Francesca, unsere neue italienische Volontärin, vor einer Moschee in Portonovo |
Auch der Vodoun-Glauben
wurde touristengerecht aufbereitet. Es gibt eigene Vodoun-Dörfer, wo man gegen
Bezahlung, sehen kann wie verschiedene Zeremonien und Opferungen stattfinden.
Das haben wir gerne ausgelassen, denn wir mussten eh schon ungewollt dabei zu
sein als ein Schwein geopfert wurde. Wie es dazu gekommen ist? Bei unser
österlichen Reise nach Dassa-Zoumé ins landesinnere wollten wir den
Königspalast der kleinen, in einer wunderschönen Landschaft gelgenen, Stadt Dassa
besichtigen. Der Königspalast, ein etwas schöneres aber normales Haus, steht
Besuchern immer offen und auch uns empfing sogleich der Prinz von Dassa. Er
erklärte uns, dass es in Bénin 77 Könige gibt, für jeden Bezirk einen. Der
König ist dazu da um Streite zu schlichten, die Kultur zu fördern, seinem Volk
Rat zu geben, usw. Später erfuhren wir, dass diese 77 Könige aber noch nicht
sehr lange existieren. Geschichtlich gab es in Bénin nämlich nur 4 Königreiche.
Die heutigen 77 Könige wurden vom Staat erschaffen um die Kultur zu bewahren
bzw. was ich eher glaube näher am Volk zu sein, denn in den Dörfern wird dem
König noch immer großen Respekt zugewiesen! Diese Kultur ist ganz klar mit dem
Vodoun Glauben verbunden denn um heraus zu finden wer der nächste König sein
wird, bedarf es einen Vodoun-Priester, der eine Art Orakel liest. Konkret wird
eine Kette/Rosenkranz auf den Boden geworfen und je nachdem welche Form
daraus entsteht, kann daraus gelesen werden.
Der nette Prinz von Dassa,
ungefähr so alt wie ich und gerade dabei seine Matura zu machen, lud uns ein zu
einem Fest der Kultur mitzukommen. Da sagten wir natürlich nicht nein. Tänzer
und Sänger führten tolle Sachen vor, doch vor allem die Einzüge der vier
Könige, die gekommen waren, waren sehr imposant. Jeder kam mit einer ganzen
Gefolgschaft von Frauen (ein König MUSS mehrere Frauen haben) und zu
Ehren eines Königs wurde feierlich ein Schwein geopfert. Mit Gesang und Tanz
wurde ihm die Kehle auf- und ein Ohr abgeschnitten. Doch anstatt es gleich ganz
zu töten, lag es ungefähr 20 Minuten leidend und noch immer lebend da. Wie der
Prinz uns später erklärte sollte das Blut auf einen "Fetisch-Vodoun-Gegenstand" tropfen.
Auf den einem der 44 Hügeln der Region Dassa |
Das wohl wichtigste Tier
für den Vodoun-Glauben ist die Schlange. Der Prinz erzählte uns von einem König
der sich in eine Schlange verwandelte und noch heute als Schlange lebtund in
einer Stadt nahe Cotonou gibt es einen eigenen Schlangentempel mit heiligen Pythons. "Busweise" kommen Touristen dahin und zahlen 2000 Franc um ein Foto
mit einer der Schlangen um den Hals zu machen.
Um was es aber genau in
diesem Glauben geht, kann ich wirklich nicht sagen. Für mich als
außenstehende wirkt das alles einfach komplett fremd und ob die
Touristenversion die echte Version ist bezweifle ich auch.
Ich bleibe auf jeden Fall
lieber bei meinem katholischen Glauben, finde es aber generell beeindruckend
wie hier Religion gelebt wird, egal welche.
Religion ist hier keine Nebensächlichkeit. Nein, es ist der Mittelpunkt des Lebens um den sich alles dreht, nach dem sich alles richtet. Religion ist für die meisten Menschen hier also enorm wichtig. Und trotzdem ist das Land sehr friedlich und es gibt keine Konflikte zwischen den verschiedenen Religionen. Gott sei Dank!